Biologische Vielfalt (Biodiversität)

Das Ziel in einem Nationalpark ist (…) nicht ein Maximum der Artenzahl, sondern die biotoptypische Vielfalt, die sich ohne Eingriffe des Menschen durch natürliche Prozesse einstellt.
Biodiversität, oder biologische Vielfalt, hat viele Gesichter. Der Begriff setzt sich zusammen aus bios (griechisch, = Leben) und diversitas (lateinisch, = Verschiedenheit) und bezeichnet die gesamte Vielfalt an Leben auf der Erde. Nach der Definition der Convention on Biological Diversity (CBD) umfasst Biodiversität „die Vielfalt innerhalb der Arten und zwischen den Arten und die Vielfalt der Ökosysteme“.
Häufig beziehen sich Bewertungen von Ökosystemen lediglich auf den Artenreichtum oder die Artenvielfalt des Gebiets und nicht auf Biodiversität, bei der die Vielfalt der Ökosysteme und die genetische Vielfalt ebenfalls betrachtet werden müssten. Je nach Lebensraum ist jedoch eine äußerst differenzierte Betrachtung der bloßen Artenzahlen notwendig. So sind saure Buchenwälder, wie sie beispielsweise im Nationalpark Kellerwald-Edersee vorkommen, in naturnahem Zustand eher artenarm, weisen dafür aber charakteristische Arten auf, die speziell an das besondere Ökosystem angepasst sind. Auf bewirtschafteten Flächen findet man hingegen meist Generalisten mit einer breiten Toleranz für verschiedene Lebensräume. Durch ihre geringen Ansprüche und schnelle Anpassungsfähigkeit an ihren Lebensraum sind sie häufig und in fast allen Ökosystemen vertreten. Sie gehören somit nicht zum natürlichen Arteninventar der sauren Buchenwälder.
Der Schutzzweck von Nationalparks ist in erster Linie die Erhaltung natürlicher oder naturnaher Ökosysteme, in denen ökologische Prozesse frei von direkten Eingriffen des Menschen stattfinden. Denn in ungenutzten Wäldern kommen andere Arten und Artengruppen vor als in Wirtschaftswäldern. So kann eine Nutzungsaufgabe auch dazu führen, dass bestimmte Arten in dem betreffenden Wald zurückgehen oder gar verschwinden. Dabei handelt es sich aber in der Regel um ohnehin häufig vorkommende Arten, denen großflächige Nutzwälder als potenzieller Lebensraum weiterhin zur Verfügung stehen.
Nationalparks bieten hingegen Arten Lebensräume, die es sonst in unserer intensiv genutzten Landschaft nicht mehr gibt. In Prozessschutz- und Entwicklungswäldern konnten im Vergleich zum regulären Wirtschaftswald signifikant höhere Artenzahlen bei Flechten, Pilzen und Käfern nachgewiesen werden. Durch die natürlichen Prozesse lassen sich ursprüngliche Artengemeinschaften und Urwaldreliktarten finden, hauptsächlich xylobionte Käferarten, die in bewirtschafteten Wäldern aufgrund der vielzähligen anthropogenen Störungen und wegen des Mangels an Totholz nicht vorkommen. Die durch den Borkenkäfer ermöglichte Naturwaldentwicklung im Nationalpark Bayerischer Wald hat so beispielsweise zur Erhaltung seltener Käfer- oder Pilzarten beigetragen, die auf Totholz im Wald angewiesen sind. Auch in der Bundeswaldinventur II von 2001/2002 wird die Rolle von Totholz betont und als ein Mittel zur Steigerung der biologischen Vielfalt in Wäldern betrachtet.
In der internationalen Biodiversitätskonvention (CBD) von 1992, in der EU-Biodiversitätsstrategie, in der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt (2007) sowie in den länderspezifischen Biodiversitätsstrategien ist das Hauptziel verfasst, die biologische Vielfalt zu erhalten. Nationalparks als letzte Refugien für spezialisierte Arten und bedrohte Lebensräume tragen dazu bei, die vereinbarten Ziele zu erreichen.
Das Gebiet des heutigen Nationalparks Hainich wurde vormals über mehrere Jahrzehnte militärisch genutzt und war somit der Öffentlichkeit verschlossen. Daher existierten noch Anfang der 1990er-Jahre nur sehr geringe Kenntnisse über das Arteninventar. Erst unmittelbar vor der Ausweisung des Nationalparks 1997 wurden einige Artenkartierungen durchgeführt. Auch nach der offiziellen Gründung des Nationalparks lag im Bereich Forschung der Schwerpunkt von Beginn an auf der Inventarisierung.
Im Jahr 2000 gab die Nationalparkverwaltung erstmals einen Artenbericht heraus, der seitdem jährlich aktualisiert wird. Er umfasst Wirbeltiere, zahlreiche Insektenordnungen, Krebse, Tausendfüßer, Weichtiere, Ringelwürmer, Farn- und Blütenpflanzen, Moose, Flechten und Pilze. Für einige Gruppen ist der Kenntnisstand mittlerweile sehr gut. So kann man davon ausgehen, dass unter anderem die Säugetiere (49 Arten, davon 15 Fledermäuse), Brutvögel (108 Arten), Käfer (über 2000 Arten), Schmetterlinge (über 800 Arten) und Pflanzen (über 800 Sippen) nahezu vollständig erfasst sind. Bei anderen Gruppen wie etwa den Reptilien, Krebstieren und mehreren Insekten-Ordnungen besteht dagegen noch erheblicher Forschungsbedarf. Berichte zum Forschungsstand und die aktuelle Artenliste können auf der Website des Nationalparks heruntergeladen werden.
Die Waldflächen des Nationalparks Hainich stehen auch für Forschungsarbeiten externer Partner zur Verfügung. So sind sie unter anderem Teil des Projekts „Biodiversitäts-Exploratorien“. Gemeinsam mit dem Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin und dem Biosphärengebiet Schwäbische Alb dient der Nationalpark Hainich und seine Umgebung als offene Forschungsplattform für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Deutschland, die hier im Rahmen von Langzeituntersuchungen Fragestellungen zum Wandel der biologischen Vielfalt, dessen Rolle in Ökosystemprozessen sowie zum Einfluss der Landnutzung auf die biologische Vielfalt bearbeiten.
Ursprüngliches erhalten — Über Deutschlands Verantwortung für die biologische Vielfalt
Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Verantwortung Deutschlands für den Erhalt der biologischen Vielfalt und diskutiert dabei die Bedeutung natürlicher sowie durch Nutzung beeinflusster Lebensräume.
Artenvielfalt und Nationalpark? — Erkenntnisse aus der Naturwaldforschung
Neben einer kritischen Betrachtung von Artenzahlen als Indikatoren für den Zustand von Ökosystemen, vergleicht P. Balcar verschiedene europäische Naturwälder mit bewirtschafteten Vergleichsflächen. Die Bedeutung von Großschutzgebieten als Refugium für (seltene) Arten wird unterstrichen. Abgeänderte Version vom Artikel: „Dient Stilllegung von Wald auch wirklich dem Naturschutz? Naturwaldforschung zur Artenvielfalt im Natur- und Wirtschaftswald“.
Naturnähe und Artenvielfalt der Waldvegetation im Nationalpark Kellerwald-Edersee
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Indikatorenbericht 2010 zur Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt
In diesem Bericht werden die 2010 beschlossenen Indikatoren zur Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt erläutert. Weiterhin werden die 19 Indikatoren mit konkreten Zielen und Maßnahmen in Zusammenhang gebracht.
Biologische Vielfalt des deutschen Waldes im Lichte der zweiten Bundeswaldinventur (BWI2)
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Dient Stilllegung von Wald auch wirklich dem Naturschutz? Naturwaldforschung zur Artenvielfalt im Natur- und Wirtschaftswald
Neben einer kritischen Betrachtung von Artenzahlen als Indikatoren für den Zustand von Ökosystemen, vergleicht P. Balcar verschiedene europäische Naturwälder mit bewirtschafteten Vergleichsflächen. Die Bedeutung von Großschutzgebieten als Refugium für (seltene) Arten wird unterstrichen.
Unbewirtschaftete Waldflächen sind europaweit artenreicher
In diesem Artikel wird mit Bezug auf die Studie von Paillet et al. (2010) das Ergebnis höherer Artenzahlen in ungenutzten Wäldern diskutiert und mit regionalen Beispielen aus Deutschland belegt. Totholz als wichtiger Faktor für eine große biologische Vielfalt wird betont.
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Diese Broschüre zeigt Bilder der deutschen Nationalparks und die dort vorkommende „Wildnis“.
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