Bedrohte Arten
Wildkatze, Luchs und Schwarzstorch – wie viele andere Tiere und Pflanzen gehören sie zu den bedrohten Tierarten, die als Symbolträger für die Rolle der Nationalparks im Artenschutz gelten. Die charismatischen Arten sind jedoch meist „Mittel zum Zweck“, denn der eigentliche Schutzzweck der Nationalparks ist in erster Linie die Erhaltung des Reichtums an verschiedenen Ökosystemen mit ihren natürlich ablaufenden Prozessen. Hierdurch ergibt sich gleichzeitig der Schutz spezialisierter und meist bedrohter Arten, die in einer durch den Menschen geformten Kulturlandschaft durch Zerschneidung der Lebensräume, fehlende natürliche Strukturen oder Übernutzung nicht überleben können.
Der Schutz natürlicher Prozesse im Nationalpark bietet bedrohten Arten, die eine Störung durch den Menschen nicht tolerieren können, einen geeigneten Lebensraum. Ein Beispiel hierfür sind die intakten Moore im Nationalpark Harz, die eine Vielzahl seltener Pflanzen- und Tierarten beherbergen, darunter beispielsweise die Blasenbinse. Auch Wälder, die durch eine natürliche Dynamik geprägt sind (hervorgerufen durch Windwurf und andere Kalamitäten), liefern durch inhomogene Strukturen ökologische Nischen für bedrohte Arten wie das Auerhuhn.
Habitate für bestimmte gefährdete Arten können in ausreichendem Maße lediglich in unbewirtschafteten Wäldern oder anderen Ökosystemen mit natürlicher Dynamik bereitgestellt werden (zum Beispiel Totholz, Baumhöhlen). So wurden im Nationalpark Bayerischer Wald signifikant höhere Artenzahlen bei Flechten sowie höhere Pilz- und Käferzahlen in totholzreichen Schutzwäldern (Prozessschutz- und Entwicklungswälder) ermittelt als im regulären Wirtschaftswald – darunter bedeutende Vorkommen vom Aussterben bedrohter Urwaldreliktarten.
In einer natürlichen Dynamik sind Lebensräume gleichzeitig in unterschiedlichen Entwicklungsstadien vorhanden und so ist stets auch eine Vielzahl an Nischen für Spezialisten geboten. Im Nationalpark Unteres Odertal etwa entstehen durch die natürliche Gewässerdynamik der Oder Altarme, Schlammbänke und temporäre Wasserkörper, die Lebensgrundlage für gefährdete Tier- und Pflanzenarten wie Fischotter, Wachtelkönig und gemeine Krebsschere sind.
Insgesamt sind in der „Roten Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands“ von 2009 über 3.800 Tierarten und über 5.500 Pflanzenarten aufgeführt, die in ihrem Bestand gefährdet sind oder zumindest auf der Vorwarnliste stehen. Bezüglich der in Deutschland vorkommenden Biotoptypen sind laut Bundesamt für Naturschutz 72 Prozent als gefährdet einzustufen. Dabei hängen der Schwund von Lebensräumen einerseits und bedrohte Arten andererseits unmittelbar zusammen: Im Fall der Laufkäferarten beispielsweise, von denen viele auf totholzreiche Wälder angewiesen sind, werden in der Roten Liste von insgesamt 85 erfassten Arten 36 (also 42 Prozent) den Kategorien 0 bis 3 (= ausgestoben bis gefährdet) oder R (= extrem selten) zugeordnet. Mit zehn bestätigten xylobionten Urwaldrelikt-Käferarten etwa im Nationalpark Bayerischer Wald leistet dieser einen wichtigen Beitrag zum Schutz dieser seltenen Arten und ihrer Lebensräume.
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