Ein Streuobst-Lehrpfad in Großenbrach
| Veröffentlicht in Projektstatus-UpdatesDieser Beitrag bezieht sich auf das zertifizierte Naturschutzprojekt "UNESCO-Biosphärenreservat Rhön/Großenbrach".
Viele alte Obstsorten sind inzwischen selten geworden, weil ihr Anbau zu zeitaufwendig war oder sich für die Eigentümer*innen nicht mehr lohnte. Auf unserer Projektfläche in Großenbrach wachsen eine Vielzahl seltener alter Obstsorten, die hier vor dem Aussterben bewahrt werden. Manch schillernde Namen wie Gräfin von Paris oder Prinzenapfel lassen ihre frühe Entstehungsgeschichte erahnen. Andere Namensschöpfungen führen auf Form oder Farbe der Früchte zurück oder spiegeln die Region wieder, aus der sie kommen.
Einer der ältesten bekannten Apfelsorten, die auch auf unserer Streuobstwiese in Großenbrach wächst, ist der „Königliche Kurzstiel“, der bereits 1565 erwähnt wurde. Eine andere Apfelsorte, „Gelber Richard“, entstand vermutlich um 1800 und leuchtet zur Herbstzeit in einem hellen Gelb. Die Sorte „Ruhm aus Kelsterbach“ hat seinen Ursprung um 1900 im Rhein-Main-Gebiet. Der Baum ist anspruchslos und wächst im Alter oft schief in eine Richtung.
Da einige der alten Bäume bald absterben, sorgen wir rechtzeitig für Nachwuchs auf der Projektfläche.
Letzten Herbst haben wir entlang des Bad Bockleter Weges, der entlang der Projektfläche verläuft, weitere alte Obstsorten gepflanzt. Für die Nachpflanzung wählen wir regionaltypische Sorten, darunter die Sorte Mollebusch, eine wohlschmeckende Tafelbirne, widerstandfähig gegen Trockenheit, zwei Sauerkirschbäume der Sorte Ostheimer Weichsel sowie eine Apfel- und eine Birnenquitte. Außerdem kamen zehn weitere Apfelbäume dazu, darunter der Topaz, Geflammter Kardinal, Prinz Albrecht von Preußen, Gewürzluiken, Kaiser Wilhelm, Roter Boskop, Geheimrat Oldenburg, Ingrid Marie, Gravensteiner und Elstar. Alle Streuobstbäume sind Hochstämme, das heißt, der Stamm erreicht eine Wuchshöhe von mindestens 180 Zentimetern. Das macht zum einen die Wiesenpflege leichter, denn man kann mit der Mähmaschine besser unter den Kronen durchfahren, zum anderen nützt es den Tieren, die sich in die oberen Etagen des Obstbaumes zurückziehen können. Die Äpfel werden von den Eigentümern und Bewirtschafter*innen der Wiese geerntet. Ein kleiner Teil wird für den späteren Verzehr eingelagert, der größere Teil zu einer nahegelegenen Fruchtsaftkelterei gebracht.
Der Herbst ist die beste Pflanzzeit für Bäume. Über den Winter haben die jungen Obstbäume Zeit, sich zu verwurzeln, um im Frühjahr dann alle Kraft in das Wachstum der Zweige und die Entwicklung der Blätter zu stecken. Beim Pflanzen muss auf den richtigen Abstand der Bäume zueinander geachtet werden. Zu eng dürfen sie nicht stehen, sonst behindern sie sich im Wachstum und können ihre Zweige nicht gleichmäßig in alle Richtungen ausbreiten. Außerdem können sich Pilze im Blattwerk ausbreiten, wenn die Luft nicht gut durch die Krone zirkulieren kann. Etwa acht bis zehn Meter Raum haben wir zwischen den Obstbäumen gelassen. Um die Aushebung des Pflanzloches und das Einsetzen der neuen Jungbäume haben sich unsere Bewirtschafter*innen der Projektfläche gekümmert. Um den Neuzugängen beste Wuchsvoraussetzungen zu bieten, wird das Pflanzloch mit einem Minibagger möglichst groß ausgehoben (1×1 Meter breit und 50 Zentimeter tief). Zum Schutz kommt noch eine Umfassung aus Holzstäben um die dünnen Stämme, damit Wild- und Weidetiere keinen Schaden an der zarten Rinde anrichten. Viele verschiedene Streuobstsorten säumen nun den Weg entlang der Projektfläche. In den nächsten Jahren müssen die jungen Obstbäume regelmäßige geschnitten werden, damit sie zu stattlichen Riesen heranwachsen können.
Damit die Pflege der Obstbäume und der Wiese über die Jahre hinweg gesichert werden kann, müssen neue Streuobstwiesenliebhaber gefunden werden. Auf organisierten Führungen entlang des Streuobst-Lehrpfades erfahren Interessierte alles über den Wert der Streuobstwiese für die biologische Vielfalt und über die Pflege der Obstbäume und der Wiese sowie die Verwendung des Streuobstes. Jährlich stattfinde Baumschnittkurse vermitteln das nötige Fachwissen. Vielleicht ist dies auch ein Anreiz im eigenen Garten einen Obstbaum zu pflanzen oder die Wiese zu einem Biotop für Bienen und andere Insekten aufblühen zu lassen.
Titelbild: Die Streuobstwiese in Großenbrach im Biosphärenreservat Rhön © Stefan Zaenker / Rhön Natur e. V.